von der Kostbarkeit des Widerstandes
Stacheln sind ja an und für sich nichts „Negatives“ (gibt überhaupt irgendetwas Negatives?). Sie sind eine intelligente Ausformung der Natur, mit der sich Pflanzen, Tiere und Menschen schützen vor Übergriffen und Tod.
Die Existenz der Stacheln (und ich setze sie gleich mit Widerstand) ist nur anzuerkennen. Nichts weghaben wollen, nichts verändern wollen. Wenn es uns gelingt, alle Bewertung draußen zu lassen, sind sie einfach. Sie haben eine Lebensberechtigung wie die Rosen. Der Widerstand gegen Personen, Gruppen, Vereinen, Handlungen, Politik, … ist oft augenblicklich da fast wie ein Reflex / ein Automatismus. Und indem er existiert hat er eine Daseinsberechtigung wie sein Gegenteil, die bedingungslose Hingabe. Das „Nein“ ist gleichbedeutend und gleichwertig wie das „Ja“. Licht ist ohne Finsternis überhaupt nicht als solches zu erkennen. Das ist alles wertungsfrei.
Es i s t einfach.
Mit einem Schritt heraus aus der dualen Welt der Bewertungen in gut/böse, schwarz/weiß, positiv/negativ, Liebe/Hass, … nähern wir uns ein wenig unserem reinen Dasein, in dem alle Ausformungen willkommen sind – auch unsere Stacheln / unser Widerstand. Dorothee Sölle, eine evangelische Theologin, spricht sogar von der Poesie des Widerstandes.
Experiment:
Öffne dich einmal so gut du eben kannst einen Augenblick lang für den Widerstand. Fühle ihn im Körper, nimm dir eine ungestörte Zeit dafür, sitze da und führe dir die Situation noch einmal ganz konkret und bildlich vor Augen – tauche tief ein in all die Verzweiflung, die Wut, das Dagegen sein, … Mit allen Fasern deines Körpers spüre wie sich das anfühlt. Und wenn Tränen kommen – lass sie fließen. Nichts wegdrücken, nur da sein lassen, in die Arme nehmen, es wertschätzen, …. – alles ohne in eine „story“ zu gehen!
Keinen Augenblich denken, dass das jetzt nicht da sein sollte, sondern nur die Türen öffnen und einlassen, …
Ohne Geschichte drumherum.
Und damit bleiben.
Gar nichts tun, nur beobachten.
Und dann schau einmal ob und was sich verändert.
Du kannst dich (als Meditation) auch fragen:
- was sagt denn dieser Widerstand eigentlich?
- wo verbiege ich mich und wozu?
- bis wohin dient mir der Widerstand und ab welchem Punkt beginnt er, mich zu zerstören? Wo kippt es und wo richtet sich der Stachel gegen mich selbst?
- welche Kostbarkeit liegt im Widerstand?
- …
Schreib dir alle Antworten auf und untersuche die darunterliegenden Glaubenssätze mit „The Work“.
Der Widerstand hat einen guten Grund und ein Recht, da zu sein. Wenn ein Igel in Gefahr ist, rollt er sich ein und stellt die Stacheln auf. Wenn sich Bienen oder Wespen bedroht fühlen, stechen sie. Bienen können dabei sogar ihr Leben lassen.
Wenn du ehrlich und lange genug deinem Widerstand Raum und Platz und Wertschätzung in deinem Herzen entgegenbringst wirst du möglicherweise irgendwann bemerken, dass er sich ganz von selbst aufzulösen beginnt. Meine Erfahrung ist, dass sich von selbst löst, was sich lösen will / wofür die Zeit in deinem Leben eben reif ist. Wir können es nicht „machen“, wir können unseren Gedanken, Glaubenssätzen und Überzeugungen aber mit Verständnis begegnen. Nur dann lassen sie uns los – nicht umgekehrt. Meistens können wir es dann auch nicht genau benennen, nur spüren, dass auf einmal alles leichter zu tragen ist. Die Situation hat sich im Außen überhaupt nicht verändert, nur im Inneren – unsere Einstellung zu den Gegebenheiten hat sich verändert.
Im Widerstand verharren ist nicht das Ziel, aber ihn als das erkennen was er ist, führt zur Liebe, die wir sind.
Der Weg geht also nicht über das Loswerden wollen, sondern über das Hinschauen und Annehmen dessen was ist. The Work of Byron Katie ist ein wunderbares Hilfsmittel auf diesem Weg.