Experimentelles Aktzeichnen mit Stefan Bachmann https://www.stefanbachmann.net/workshop
Eine Woche lang immer das gleiche Aktmodell, 65 Zeichnungen, …… ein Prozess!
Schon am zweiten Tag stecke ich fest. Nun beginne ich mit der linken Hand zu zeichnen, nicht aufs Papier schauen, sondern nur auf das Modell – das löst all das Festgefahrene, eh immer Gleiche. Auf einmal wird alles offener, anders, freier. Aufmerksamkeit auf die Bleistiftspitze u n d auf die Konturen des Modells. Nicht mechanisch werden und die Qualität der Linien beachten. Ich nehme den Körper genauer wahr, vergesse die „Anderen“, vergleiche mich nicht mehr, schaue genau, bin ganz mit mir, meiner Zeichnung, dem Körper vor mir. Ich beginne auch, diesen Bauch zu lieben und damit meinen eigenen. Und ich erschrecke nicht mehr vor so viel Körperfülle, sondern erfreue mich der Kurven, die so viel leichter zu zeichnen sind (zumindest erscheint es mir so), als ein extrem schlanker Körper. Wie wunderbar doch dieser Körper geformt ist – und wie wunderbar seine „momentane Besitzerin“ (denn wir sind ja nicht unser Körper)!
Dieses genaue Hinschauen bringt eine Liebe zu all den vermeintlichen Unperfektheiten des Körpers mit sich. Mir kommt vor, dass mich genau das in die Tiefe der Liebe hineinzieht. Je genauer ich schaue, je mehr ich damit bin, desto vertrauter und geliebter wird dieser Körper. Nicht urteilen, nur schauen, da sein, beobachten, sein lassen, …… Die Objektivität bringt eine Liebe mit sich, die nichts mehr will, sondern nur noch ist. Wir wissen das alle, haben alle die Erfahrung von solcher Bedingungslosigkeit bereits gemacht. Dass wir das immer wieder vergessen, ist eine andere Sache. Genauer beschreiben kann ich das nicht. Siehe auch Kohelet (Bibel): https://www.uibk.ac.at/theol/leseraum/bibel/1kor13.html
Am dritten Tag habe ich dann mit Farbe begonnen. Der Einsatz von Farbe macht mir zu schaffen. Wie einen Weg finden in diesem Dschungel von Vorstellungen? Wenn ich nicht „ausmale“ wie denn dann? Was darüber hinaus? Ein Blatt nach dem Anderen. Versuch und Irrtum. Was fühlt sich richtig an? Nicht abschweifen in „Nettes“ oder in etwas, das „gut kommt“. Keine Kalenderbilder, nur Authentisches. Yves Klein beschreibt das als „Krieg zwischen Linie und Farbe“. Also – ich bin mittendrin in dem Dilemma, das schon alle Künstler vor mir hatten.
Die Stille und Offenheit meiner jahrzehntelangen Meditationspraxis kommt mir zu Gute – inmitten der Aktivitäten des Raumes und der Gruppe versuche ich, ganz bei mir zu bleiben. Es bleibt beim Versuch, die Tiefe erreiche ich nicht. Aber mehr und mehr begebe ich mich in den Fluss des Zeichnens. Manchmal gelingt es besser, manchmal weniger – alles ist gut!
Der Nondualist und Keramikkünstler Rupert Spira sagt:
“My being is God’s being”
„Mein/dein Wesen (Sein) ist Gottes Wesen und es ist deine Aufgabe als Künstler, die Qualitäten dieses Wesens deinem Publikum zu vermitteln. Dies sind persönliche Werkzeuge/besondere Fähigkeiten. Aber ihr Zweck ist es, das Unpersönliche auszudrücken. Deine persönlichen einzigartigen Qualitäten nutzen, um das Unpersönliche auszudrücken. Dein Kunstwerk ist ein Weg. Die Bewegung geht vom Sein in den Ausdruck. Der Betrachter/Zuhörer, … geht den gleichen Weg, aber in die entgegengesetzte Richtung. Deine Arbeit führt den Betrachter zurück zu seinem Sein. Dein Kunstwerk ist also ein persönlicher Ausdruck des Unpersönlichen. Du bringst der Menschheit den Sinn/Zugang, durch den sie zu ihrem Sein zurückkehren können. Künstler zu sein ist keine Person, es ist eine geheime Funktion in der Gesellschaft/Menschheit“.
Es gibt auch einen wunderbaren podcast – ein Gespräch zwischen Rupert Spira und Henry Shukman über Kunst: https://www.youtube.com/watch?v=GGHthbjSeys
Für mich ist Zeichnen eine Form der Meditation. Und ich brauche viel Stille oder wenig leise Musik (Mari Boine, Iva Bittova, …).
Eine Woche nach dem Ende des Kurses kann ich immer noch diesen Körper zeichnen – blind, nur aus der Erinnerung. So stark prägte sich dieses äußere Bild in mir ein.
Ich will dem künstlerischen Ausdruck mehr Raum geben in meinem Leben. Es braucht Zeit damit ein Prozess in Gang kommt und spürbar wird. Üben, üben, üben – nicht als stressvolle Aufgabe, sondern als Hingabe.